Protestschreiben: Die Ortstaxe ist KEIN Honigtopf!
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Tourismus Kollegium Südtirol, in dem alle Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Büroleiterinnen und Büroleiter der Tourismusorganisationen Südtirols vertreten sind, stellt sich vehement gegen eine Zweckentfremdung und derzeit im Raum stehende mögliche Neuverteilung der Ortstaxe.
Die Gemeindeaufenthaltssteuer, auch Ortstaxe genannt, wurde 2014 eingeführt. Aus den damaligen Durchführungsbestimmungen geht sehr klar hervor, dass die Tourismusorganisationen in ihrer Tätigkeit und Finanzierung gestärkt werden sollten. Aus dem Einnahmentopf gingen 90% an die Tourismusorganisation und 10% an die Tourismusverbände. Im Zuge der 2017 beschlossenen Neuordnung der Tourismusorganisationen mit neuer Aufgabenverteilung und Abschaffung der Tourismusverbände, sowie Ausbau der Marketingtätigkeit wurden 2018 die Tourismusverbände abgeschafft und die Einnahmen der Ortstaxe neu verteilt: 75% gehen seitdem an die Tourismusorganisationen und 25% an die neu geschaffene IDM, die sich verpflichtet hat dafür einen großen Teil der Leistungen der ehemaligen Tourismusverbände zu übernehmen.
Die letzte Umstrukturierung innerhalb der IDM vor zwei Jahren mit Abschaffung der regionalen Destinationsmanagementeinheiten hat die meisten der Tätigkeiten, die von den Tourismusverbänden an die IDM übertragen worden sind, wieder an die Tourismusorganisationen zurückgeworfen. Der Aufteilungsschlüssel 75% -25% der Ortstaxe blieb jedoch bestehen. Ein Umstand der viele Tourismusorganisationen personell und finanziell in Schieflage gebracht hat.
Einige Regionen haben eigene Servicestrukturen erschaffen und neue Mitarbeiter eingestellt, um diese Lücke zu schließen.
Wir befinden uns heute inmitten eines wegweisenden Reformprozesses im Tourismusorganisationssektor, der durch das Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ neue Leitplanken erhalten hat. Eine wichtige Rolle im Lebensraummanagement sollen die Tourismusorganisationen spielen, die sich eine professionelle Struktur geben und sich neuen Aufgaben stellen müssen.
Wir sprechen von komplexen Lebensräumen, die gemanagt werden sollen. Die Tourismusorganisationen sind innerhalb dieser die Kümmerer, die Netzwerker und deren wichtigste Gestalter. Wir stecken in einem weltweiten, wirtschaftlichen Transformationsprozess. Die Zielsetzung ist eine nachhaltige Produktentwicklung und CO2 Neutralität im Tourismus. Diese enormen Herausforderungen können nur mit den entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen gemeistert werden.
Die Ortstaxe ist neben den Beiträgen der Mitgliedsbetriebe das wichtigste Finanzierungsinstrument der Tourismusorganisationen. Ohne diese Einnahmen sind sie nicht zukunftsfähig, sind folgende Tätigkeiten nicht gesichert und eine nachhaltige touristische Lebensraumgestaltung nicht möglich:
- Strategische Entwicklung und Steuerung des Lebensraumes
- Landschaftspflege und Pflege des Wegenetzes (im Verbund mit Partnern)
- Lokale Mobilität: Abstimmung und Ergänzung des öffentlichen Angebotes (z.B. Skibus, Wanderbus)
- Mitgliedercoach zur Betreuung aller Mitgliedsbetriebe (u.a. Digitalisierung, Organisation, Vertrieb,
Nachhaltigkeit) - Informationsdienstleistung für Einheimische und Gäste
- Stakeholdermanagement im Sinne des Netzwerkens
- Nachhaltige Produktentwicklung zu allen in Südtirol relevanten Reisethemen (Wandern, Skifahren
und Wintersport, Bike, Essen & Trinken, Städte & Kultur, Wohlbefinden) - Orts – und Stadtmarketings bzw. Entwicklung
- Eventmanagement: Eigenveranstaltungen und Koordination lokaler, branchenspezifischer Events
- Kommunikation nach außen und nach innen
- Gästekarte: Führung, ortsspezifische Leistungen
- Führungen von Strukturen, Freizeitanlagen, Übernahme von Dienstleistungen
Landesrat Schuler hat im November 2021 im Zuge der Diskussion zur Neuregelung der Ortstaxe den Tourismusorganisationen die Rolle als tragende Säule in Südtirols Tourismuslandschaft zugesichert und versichert, eine diesbezügliche Diskussion mit den Tourismusorganisationen zu führen. Diese Diskussion kann allerdings nur in Zusammenhang mit der Neuorganisation der Tourismusorganisationen und der daraus resultierenden Aufgabenverteilung geführt und akzeptiert werden. Ein Aufbrechen des Systems zum heutigen Zeitpunkt wäre nicht nur falsch, sondern auch konträr zu der derzeitigen Zweckbestimmung.
Wir riskieren nicht nur ein funktionierendes System auszuhebeln, sondern auch den Lebensräumen Gestaltung – und Handlungsspielraum für Einheimische und Gäste zu nehmen. Ausdruck davon sind die unzähligen Maßnahmen, die mit den ortsgebundenen Erhöhungen der Ortstaxe auf Vorschlag der Tourismusorganisationen eingeführt und umgesetzt worden sind.
Die Ortstaxe ist durch die Genehmigung der jeweiligen Gemeinderäte ein von der Basis mitgetragenes Finanzierungsinstrument, das im Falle einer Top-Down Neuausrichtung ihre Akzeptanz und ihre Sinnhaftigkeit weitgehend verlieren würde. Einer der Grundgedanken der Ortstaxe ist die Verbesserung des touristischen Angebotes vor Ort. Unsere Gäste und Beherbergungsbetriebe hätten für eine Zweckentfremdung kein Verständnis.
Aus den oben angeführten Gründen wehren wir uns vehement dagegen, die Ortstaxe als finanzielles Allheilmittel für die Tilgung irgendwelcher Kosten innerhalb der Lebensräume anzuwenden oder der IDM zuzuführen. Die Verfügung über die Ortstaxe muss bei den Tourismusorganisationen, deren Mitgliedern und bei den zuständigen Gemeinden bleiben. Dort sind partizipative Diskussionen und ortsspezifische Entscheidungen gewährleistet. Ganz im Sinne des Gesetzgebers und des Begriffes Gemeindeaufenthaltsabgabe bzw. Ortstaxe. Oder will die Politik eine neue Landestaxe oder IDM Marketing Steuer oder Infrastrukturabgabe einführen?
Dann muss sie dies auch so artikulieren und die Verantwortung dafür übernehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Stampfer Uli
Vize-Präsident Kollegium (Tel.: 333 9904849)
Werner Zanotti
Pressesprecher Kollegium (Tel.: 345 7952891)
Tourismus Kollegium Südtirol
Gerbergasse 60
39100 Bozen